Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus Königs Wusterhausen gedenkt der Ermordeten, Verfolgten, Vertriebenen und deren Familien

„Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der Verzweiflung und Mahnung an die Menschheit. Hier ermordeten die Nazis etwa anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder. Die meisten waren Juden aus verschiedenen Ländern.“ – Gedenktafel in Auschwitz-Birkenau

Vor 78 Jahren, am 27. Januar 1945, befreite die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz. Mehr als eine Million Menschen wurden alleine in Auschwitz getötet. Auschwitz steht symbolisch für die Gräueltaten der Nationalsozialisten, die Millionen von Menschen ermordeten.

Die Jugendverbände LDS gedachten heute, anlässlich des 78. Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz und des heutigen Holocaust-Gedenktages, der Opfer des Nationalsozialismus, um 12 Uhr in Königs Wusterhausen, Neue Mühle, Niederlehme, Wernsdorf und Zernsdorf. Unsere Gedanken sind bei den Opfern der Nationalsozialisten und ihrer Familien: Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, queere Menschen, Menschen mit geistiger/körperlicher Beeinträchtigung, Kriegsgefangene, Menschen des Widerstandes und viele mehr.

Gemeinsam gedachten der SHIA Landesverband, der Stadtjugendring Königs Wusterhausen, die Jungen Humanisten, das Jugendrotkreuz Königs Wusterhausen, die Kreissportjugend Dahme-Spreewald und interessierte Menschen ehemaligen Bürger*innen aus Königs Wusterhausen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden.

In Königs Wusterhausen wurden Menschen aus der Mitte der Gesellschaft unserer Stadt gerissen, sie waren Zahnärzte, Geschäftsleute, Gemeindevertreter, Anwälte und Vorsitzende der Krankenkasse. Sie waren vor allem Bürger*innen der Stadt Königs Wusterhausen. An jedem Gedenkort in Königs Wusterhausen wurden deshalb heute ihre Namen wieder in das Bewusstsein unserer Gesellschaft gerückt. Wir verlasen ihre Geschichte und zeigten historische Dokumente, um ihre Schicksale näher zu bringen.

Wir erinnern uns an sie, wir sprechen ihre Namen, wir erzählen ihre Biographien, wir vergessen sie nicht.

Wir bedanken uns bei jedem Menschen, der sich uns heute bei diesem Anliegen angeschlossen hat.

 

„Ihr tragt keine Schuld für das, was passiert ist, aber ihr macht euch schuldig, wenn es euch nicht interessiert.“ Esther Bejarano (1924 – 2021), Auschwitzüberlebende

Königs Wusterhausen:

Familie Czapski (Bahnhofstraße 23/24)

Die Familie Czapski lebte in der Bahnhofstraße 23 in Königs Wusterhausen. Georg Czapski (geboren 1893) war Zahnarzt, seine Praxis war in der Bahnhofstraße 6. 1934 zog die Familie nach Berlin. Georg Czapski war 1938 für ein halbes Jahr im KZ Sachsenhausen. Rosemary (geboren 1921) war Schülerin am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, bevor sie in Berlin an eine jüdische Schule wechselte. 1939 konnte sie über die Kindertransporte nach England gerettet werden. Ihre Eltern, Georg und Johanna (geboren 1900) wurden zusammen mit ihrer Großmutter nach Auschwitz deportiert. Ihre Großmutter wurde in Auschwitz umgebracht, die Eheleute Czapski überlebten das KZ Auschwitz. Die Familie traf sich nach dem Krieg in den USA wieder.

Erna Lina Therese Dörre (Bahnhofstraße 23/24)

Erna Line Therese Dörre (geboren 1900 in Königs Wusterhausen), geb. Marcus, heiratete Dr. Dörre 1924 und konvertierte 1928 zur evangelischen Religion. Ihr Vater hatte ein Textilgeschäft in der Bahnhofstraße 23/24. Ihr Ehemann wurde 1938 gezwungen, sich von Erna Dörre scheiden zu lassen. Sie lebte daraufhin in Berlin mit ihrer Mutter und ihren Schwestern. Dr. Dörre besorgte ihr einen neuen Namen, um sie vor der Verfolgung zu schützen. Dennoch wurde sie 1944 als Eva Deters verhaftet. Ihre Mutter und Geschwister wurden nach Auschwitz deportiert, sie flüchtete mit Gift in den Tod. Dr. Ernst Dörre wurde 1944 verhaftet und pflegte bis zu seinem Tod 1996 das Grab seiner Frau in Dresden. Nach der Befreiung Königs Wusterhausens war er der erste Bürgermeister der Stadt Königs Wusterhausen.

Max und Paula Jacobsohn (Bahnhofstraße 6)

Paula Jacobsohn (geboren 1882), Zahnärztin, und Max Jacobsohn (geboren 1879) wohnten in der Bahnhofstraße 6 in Königs Wusterhausen. Max Jacobsohn war der Vorsitzende der Allgemeinen Ortskrankenkasse Königs Wusterhausen. Er wurde gemeinsam mit den Zahnärzten Georg Czapski und Max Heilbut 1938 im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Paula und Max Jacobsohn wurden 1942 nach Osten deportiert und in Riga ermordet.

Sally Jacob und Rosa Jacob (Friedrich-Engels-Straße 10)

Sally Jacob (geboren 1882) und seine Schwester Rosa Jacob (geboren 1887) lebten in der heutigen Friedrich-Engels-Straße 10 in Königs Wusterhausen. Sally Jacob hatte in der Kottbuser Str. 54 seit 1908 ein Textilgeschäft. 1938 wurde das Geschäft geschlossen. Die Geschäftsräume und das Lager von Sally Jacob wurden während der Pogromnacht geplündert und verwüstet. Er konnte vorher fliehen. 1941 wurden Rosa Jacob und Sally Jacob nach Riga deportiert und starben am 30.11.1941.

Außenlager des KZ Sachsenhausen (Storkower Straße 15)

Das Außenlager lag am Güterbahnof in dem mehrere hundert Häftlinge, vor allem polnisch-jüdische, inhaftiert waren. Es wurde 1944 zeitgleich mit der Verlagerung einer Behelfsheim-Fabrik des Deutschen Wohnungshilfswerk aus dem Ghetto Łódź errichtet. Die Häftlinge mussten Munitionskisten und Winterbaukisten für LKW-Motoren herstellen sowie Waggons mit Raubgut aus den östlichen Gebieten am Bahnhof entladen. In der Endphase des Krieges mussten sie zusammen mit Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen in Königs Wusterhausen und Umfeld Heeres- und Schanzarbeiten ausführen. So wurde beispielsweise der Nottekanal als Panzergraben ausgehoben und Pfähle eingerammt. (Endlich, Stefanie; Goldenbogen, Nora; Herlemann Beatrix; Kahl, Monika & Scheer, Regina (2000): Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation. (S. 295-296). Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung)

 

VdN Denkmal

Neue Mühle:

Familie Vogel (Birkenallee 8/9)

Wilhelm Vogel (geboren 1885), Journalist, seine Frau Margarete (geboren 1897), ihr Sohn Rolf (geboren 1921) und ihre Tochter Ursula (geboren 1925) wohnten in der heutigen Birkenallee 8/9 in Neue Mühle bis 1935. Sie zogen nach Berlin. Wilhelm Vogel starb 1939 in Berlin. Margarete Vogel wurde 1944 in das KZ Theresienstadt verschleppt. 1945 wurde sie dort befreit. Ursula leistete 1943 Zwangsarbeit in Stuttgart. Rolf wurde 1944 verhaftet und nach Wolfenbüttel gebracht. Sie überlebten die Shoa. Rolf wurde Journalist und berichtete u.a. über den Eichmannprozess für die Deutsche Zeitung.

Eugen London (Birkenallee 7)

Eugen London (geboren 1884) zog mit seiner Frau Helene Meltzer (geboren 1890) 1937 nach Neue Mühle in die heutige Birkenallee 7. Helene Meltzer starb 1939 in Königs Wusterhausen. 1942 musste Eugen London in Köpenick als Straßenfeger bei der Firma FrommsAct Gummiwerke arbeiten. Er musste bei jedem Entfernen aus seiner Wohngemeinde die Erlaubnis beim Bürgermeister einholen. Bis 1942 musste er für erforderliche Arztbesuche in Berlin eine Erlaubnis einholen. Er lebte daraufhin in Berlin und wurde 1943 nach Auschwitz deportiert und wurde dort ermordet.

Geschwister Jonas (Birkenallee 7)

Gustav Jonas (geboren 1868) und Luise-Lotte Jonas (geboren 1862) lebten in der Küchenmeisterallee 60 in Neue Mühle. 1939 wurden beide gezwungen, das Haus zu verkaufen, den Erlös durften sie aber nicht behalten, da er von Staat eingezogen wurde. Danach wohnten sie bei Eugen London in der heutigen Birkenallee 7 in Neue Mühle. Die Wohnung wurde 1939 geräumt. Beide wurden in ein jüdisches Altenheim nach Potsdam-Babelsberg verwiesen und daraufhin nach Theresienstadt deportiert. Ende 1942 starb Luise-Lotte Gustav in Theresienstadt, Gustav Jonas verstarb Anfang 1943 ebendort.

Niederlehme:

VVN Denkmal

Das VVN Denkmal in Niederlehme wurde geschaffen, um den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken. Im Sockel des Denkmals sind die Namen von den drei Widerstandskämpfern Paul Schütze, Paul Schulze und Karl Scherer eingelassen.

Zernsdorf:

Dr. Viktor Karfunkel (Karl-Marx-Straße 25)

Viktor Karfunkel wurde 1906 in Berlin Moabit geboren. Er studierte Medizin in Berlin und Bonn. Im März 1932 gründete er eine Arztpraxis in Zernsdorf und wohnte dort. Von 1932 bis 1934 wohnte er in der Triftstraße 13 und ab 1934 bis 1936 in der „Breiten Straße“ 25, die heute Karl-Marx-Straße heißt. Er floh nach Rom, von wo aus er per Schiff nach Shanghai gelangte.

Wernsdorf:

Professor Paul Rosenstein und Johanna Rosenstein (Höhe Dorfstraße 14)

Professor Dr. med. Paul Rosenstein (geboren 1875) lebte mit seiner Familie in Wernsdorf (Jovestraße). Nach den Pogromen 1938 gelang ihm über Amsterdam nach New York die Flucht. 1940 konnte er sich in Brasilien ansiedeln. Seine Frau und die Kinder blieben in Berlin. Ein halbes Jahr später konnte die Familie nach Brasilien nachkommen. Er überlebte die Shoa und besuchte Wernsdorf 1951. Der Chirurg und Urologe verstarb 1964 in Brasilien.

Familie Heilbut
Max Lippmann Heilbut (geboren 1877), Zahnarzt. Seinerzeit ein prominenter Bürger von Königs Wusterhausen (Königs Wusterhausener Schauspiel – Vereinigung im Bahnhofshotel). Von 1910 bis 1938 wohnte die Familie Heilbut in der Schlossstraße 3 (seine Praxis war dort ebenfalls). Seine Arztpraxis, die später in der „Kottbuserstraße 1“ war, wurde in der Reichspogromnacht zerstört. Bereits vor dem 09.11.1938 kam Max Heilbut in das KZ Sachsenhausen. Da er seine Praxis nicht mehr betreiben durfte, war er in Berlin als Feinmechaniker tätig. Am 01.03.1943 kam die Gestapo. Max Lipmann Heilbut wurde nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seine Tochter Marianne Ruth Heilbut (geboren 1909) und Frau Helene Heilbut (geboren 1881) überlebten die Shoa.

Arnold Baum
Arnold Baum (geboren 1884) führte in der Bahnhofstraße 9 ein Schuhgeschäft und gab es als Folge der Reichpogromnacht am 30.11.1938 auf. Er wanderte 1939 nach Palästina aus und lebte in Petach Tikwah, wo sich dich Partnerschule des Friedrich-Schiller-Gymnasiums befindet.

Jean Mandel
Jean Mandel, Frau Michaelis und seiner Mutter Margarete hatten in der Bahnhofstraße 24/25 das Textilgeschäft Centrum Kaufhaus und in der Schlossstraße 6 ein zweites Textilgeschäft. Bis Anfang 1936 existierten beide Geschäfte. Bereits 1933 wurde das Geschäft in der Schlossstraße 6 boykottiert. Zwei Jahre später gelangten die Aufschriften „Kauft nicht bei Juden“ in seine und die Geschäfte anderer jüdischer Menschen. 1936 wanderte er mit seiner Familie über Shanghai aus und gelangte später nach Israel. Nach dem Krieg kamen sie wieder nach Deutschland zurück.

Rudolf Ludomer
Seit 1920 wohnte Rudolf Ludomer (geboren 1888) mit seiner Frau Margarete Ludomer (geboren 1893) in Königs Wusterhausen. Die gemeinsame Tochter Ilse wurde 1921 geboren. Ecke Berliner Straße – Potsdamer Straße (Berliner Str. 28) war sein Textilladen „Kaufhaus Rudolf Ludomer“, in der Schlossstraße 6 hatte er ein weiteres, kleineres Geschäft. Nach der Reichspogromnacht zog die Familie nach Berlin und floh 1939 nach Shanghai. Rudolf Ludomer verstarb 1944 in indirekter Beziehung mit der Shoa.

Rudolf Roeder
Rudolf Roeder (geboren 1881) war seit 1919 Notar und Rechtsanwalt mit Wohnsitz in der Friedrichstr. 9a. Seine beiden Kanzleien waren in der „Karlstraße 27“ und der „Hindenburgstraße“. Ab 1933 durfte er nur noch als Notar für jüdische Personen arbeiten. 1935 stellte er seine Tätigkeit ein. Er flüchtete 1936 nach Brasilien. Rudolf Roeder verstarb in Eindhoven.

Henny Hermann, geb. Hirsch (geboren 1881), verheiratet mit Otto Hermann (geboren 1871), lebte in Königs Wusterhausen, Am Park 1.

Henriette Malzahn, geb. Hultschinsky (geboren 1864), lebte seit 1882 in der Kottbuserstr. 1 in Königs Wusterhausen.

Gertrud und Ruth Caban (geboren 1930), wohnten in der Friedrichstr. 20 in Königs Wusterhausen. Ende 1940 trat Ruth aus der Schule aus und die Familie gab als neuen Wohnort Uruguay an.

Werner Wachs (geboren am 29.01.1926 in Königs Wusterhausen) – zuletzt wohnhaft in Berlin, Deportation ab Berlin am 14.12.1942 nach Auschwitz.

Arthur Bock (geboren am 18.02.1884 in Königs Wusterhausen) – zuletzt wohnhaft in Berlin, Deportation ab Berlin am 01.11.1941 nach Litzmannstadt (Łódź)

Leonie Levy (geboren am 05.08.1889 in Königs Wusterhausen) – zuletzt wohnhaft in Halle, Deportation ab Kassel-Halle-Chemnitz am 01.06.1942 nach Izbica/Sobibor, verstorben am 03.06.1942 Distrikt Lublin

Charlotte Orbach, geb. Mandel (geboren am 23.06.1897 in Königs Wusterhausen) – zuletzt wohnhaft in Berlin, Deportation ab Berlin am 03.03.1943 nach Auschwitz

Max Heinz Sorgenlos (geboren am 22.12.1920 in Königs Wusterhausen) – am 08.09.1942 in Auschwitz ermordet

 

Quellen:

Kulturlandschaft Dahme-Spreewald e.V. (2012). Das haben wir alles nicht gewusst. Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bewohner der Region. (2. Auflage). Berlin: Digital business and printing GmbH

Arolsen Archives

Yad Vashem

Stadtarchiv der Stadt Königs Wusterhausen